Potenziale Digitaler Handwerklichkeit
Ph.D.-Forschungsprojekt

Diese Dissertation untersucht die Rolle handwerklicher Prozessualität im Design sowie deren methodische Operationalisierung in einem digitalen Entwurfs- und Fertigungsprozess – mit besonderem Fokus auf den robotischen 3D-Druck von Porzellan. Handwerkliche Prozessualität ist durch kontinuierliche Iteration und Reflexion gekennzeichnet. Sie ermöglicht während der Fertigung eine fortlaufende Aushandlung mit materiellen Abweichungen (Deviations), welche wiederum maßgeblich auf den zugrundeliegenden Entwurf zurückwirken können. Ziel dieser Forschung ist es, dieses zentrale Prinzip digitaler Handwerklichkeit konzeptuell, methodisch und technologisch neu zu fassen.
Ein wesentlicher Beitrag der Arbeit liegt in der Diskussion und methodischen Übertragung eines theoretischen Modells handwerklicher Gestaltung auf digitale Designansätze: der doppelten Ontologie des Handwerks. Dieses Modell beschreibt das Zusammenspiel von materiellem Verhalten und anthropologischer Reflexion in Prozessen, in denen unvorhergesehene – also nicht intentionale – Aspekte wie Abweichungen zwischen digitalem Entwurf und physischer Materialisierung kontinuierlich ausgehandelt werden.
Das Ergebnis ist ein neuartiger, digital-handwerklicher Designansatz: Deviation-driven Design (DDD). Im Gegensatz zu klassischen Designprozessen, die von einer Trennung zwischen Entwurf und Ausführung geprägt sind, begreift DDD die im Übergang vom digitalen Modell zur materiellen Umsetzung entstehenden Abweichungen als zentrale, gestaltungsrelevante und eben handwerkliche Aspekte. Solche materiellen Differenzen können nicht nur ästhetisch wirksam sein, sondern auch neue epistemische Potenziale im Gestaltungsprozess eröffnen – etwa durch die Sichtbarmachung und produktive Integration unerwarteter Resultate in iterative Designzyklen.
Im empirischen Teil der Arbeit wird die methodische Operationalisierung dieses Ansatzes exemplarisch im Kontext des robotischen 3D-Drucks mit Porzellan exploriert. In einer Reihe experimenteller Fallstudien werden die im additiven Fertigungsprozess auftretenden Abweichungen systematisch erfasst, typologisiert und hinsichtlich ihres gestalterischen Potenzials analysiert. Digitale Handwerklichkeit wird dabei als integrative, theoretische und praktische Aspekte zusammenführende Gestaltungspraxis verstanden, die durch die bewusste Auseinandersetzung mit materiellen Abweichungen sowie deren Rückführung in den Entwurf nicht nur eine Verbindung zu einem holistischen Produktionsverständnis herstellt, sondern zugleich ein zentrales Prinzip handwerklicher Gestaltung in digitale Entwurfs- und Fertigungsprozesse integriert.
Die Arbeit wurde am 11. Juli 2025 erfolgreich verteidigt und mit der Gesamtnote „summa cum laude“ bewertet.